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Unerhörtes Wintermärchen in Kaditzsch
Heine mit klirrendem Klavier

Grimma / Kaditzsch (jj). LVZ / MTZ ; 30.1.2006

Heinrich Heines berühmtes satirisches Versepos „Deutschland, ein Wintermärchen" war am Sonnabendabend in der Erstvertonung des Mannheimer Komponisten Hans-Karsten Raecke zu erleben - auf unerhörte Weise, möchte man hinzufügen: Kabarettistische Lieder und Songs, Marsch, Thema mit Variationen, Arie, Rezitativ. Pfeifen, Heulen, Klirren, Gedonner. Das Spektrum der Klänge, die Raecke dem mit Schrauben und Metallwinkeln präparierten Flügel der Studiogalerie Kaditzsch zu entlocken wusste, schien nahezu unerschöpflich, versetzte in Begeisterung, Freude, Angst und Schrecken.

Dabei spielte Raecke nicht nur, er, marschierte, tanzte, kroch immer weiter hinein in den Flügel und in Heines Verse, die er mal liedhaft melodiös, im nächsten Moment wieder in harten rhythmischen Sprechgesängen mit Verve und Leidenschaft vortrug. Die Zuhörer riss es mit auf dieser Winterreise: Aachen, Köln, Teutoburger Wald, Minden, Bückeburg, Hannover und schließlich hoch hinauf nach Hamburg. Wer sich des Textes' erinnert, weiß, dass hier scharf geschossen wird. Raecke illustrierte seinen musikalischen Vortrag mit staunenswerter Energie. Die Performance am und um den Flügel inszenierte er einfallsreich mit allerlei Alltagsgerät, eine Gartenharke gab den preußischen Adler, ein Marzipanschweinskopf wurde dem amüsierten Publikum kredenzt. In den Text schmuggelte Raecke auch ganz im Sinne des großen Dichters eine Vielzahl tagespolitischer Verweise. Aber auch ohne diese parodistische Bearbeitung des Originaltextes wurde nur zu deutlich, dass Heines politisch-romantische Reisebilder aus der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts uns in mancher Hinsicht alles andere als fern sind.