Pressestimmen  
 

Perlende Liebeslieder und harte Schläge
Konzert. Hans-Karsten Raecke interpretiert im Sorbischen Museum Heines Wintermärchen auf seine ganz eigene Art.

Christa Vogel, Sächsische Zeitung - Montag, 6. März 2006

Mit seinem Liederzyklus „Deutschland - ein Wintermärchen" von Heinrich Heine gastierte am Sonnabend der Berliner Komponist Hans-Karsten Raecke im Rahmen der Bautzener Kammerkonzerte im Sorbischen Museum. Die visionäre Aktualität forderte den Komponisten geradezu heraus, Heines abendfüllendes Werk in „ein musikalisches Theaterstück, komponiert und interpretiert auf dem klangerweiterten Flügel" zu verwandeln. Selbiger stand bar jeglichen Schmuckes da, als Raecke ihn im ersten von 27 Capita zum Leben erweckte. Karge Akkorde tropften in die romantischen Reisegedanken des im Ausland lebenden Dichters, der Deutschlandsehnsucht hatte. Vom Harfenmädchen und Jammertal singt der Künstler über dumpfhohlen Einzeltönen oder von Zuckererbsen und „Aachens altem Dome". Wird scheinbar melodischer. Doch Performance kratzt, zupft und klopft auf den Flügelsaiten, wispert und kollert. Marschrhythmen reißen ihn ins Szenische. Im Stechschritt präsentiert er die Stückdramatik. „Es lebe der König!" ruft er, die Jazzbesen wegwerfend und eine dissonante Marschpersiflage dem Flügel entreißend... Die Furiosität ist faszinierend. Und er deckt den Tisch für den Schweinskopf der altgermanischen Küche, den er stückweise an die Besucher verteilt. Ein Liebeslied will flügelschön perlen. Hermann im Teutoburger Wald lebt mit Papst Ratzinger, zeitnahen Politikern und Olli Kahn samt Maler Baselitz auf. Dem Ersten setzt er ein Denkmal in die Flügelsaiten und läßt mörderisches Wolfsgeheul im Instrument aufleben. Die Melodramatik ist gewaltig, als bei Paderborn klagend die Sonne aufgeht. Vom Menschenretter ans Kreuz geschlagen weiß er und packt aufs Neue die gebannten Hörer. Harte Schlage schmerzen. Barbarossa im Kyffhäuserberg und ein nächtlicher Reisebegleiter lassen erschauern. Bewegt gehen die Gäste in die Pause, bestaunen den Flügel, der Schmerzhaftes aushalten mußte. Raecke läßt ihn nicht aus den Augen und betont: „Dem passiert nichts". Bewundernswert sind seine brillante Werkkenntnis, sein vielseitiges Können, basierend auf fundierten Studien bis hin zum Meisterstudium bei Paul Dessau. Begeistert stürzt er sich wieder ins wackelnde Weltgefüge, das sich dehnt und anstrengt. Immer neue Aktionen wie der „Schuhtastentango" auf lehmigen Bückeburgwegen schocken. In Marburgs Nähe swingt es wohlwollend. Philosophie vom Wandel der Menschen schwappt bis zu Heiner Geißler und Lafontaine. Hamburg-Erlebnisse brodeln mit warnendem Blick in Deutschlands Zukunft. Es war ein Abend, der zum Lesen des Heine-Epos anregte.


Foto: Nikolai Schmidt

Allerhand aushalten mußte der Flügel im Sorbischen Museum, als der Berliner Komponist Hans-Karsten Raecke am Sonnabend beim 15. Bautzener Poesiekonzert seinen konzertanten Liederzyklus „Deutschland - ein Wintermärchen" von Heinrich Heine vorstellte.